Das Projekt umfasst die Erstellung eines bauphysikalisch optimierten sowie biodiversitätsfördernden Grünfassaden Mock-Ups. Begleitend wird dabei erstmals eine ganzheitliche Betrachtung der Wirkungen der Grünfassade auf bzw. für MENSCHEN, FLORA und FAUNA erfolgen. Das entwickelte Mock-Up soll neben einer heterogenen Pflanzenzusammensetzung mit wechselndem und hohem Blühvorkommen (sowie Nektar- und Pollengehalt), auch die Erhöhung des Strukturreichtums und Nistplatzangebots für bspw. bodenbrütende Wildbienen aufweisen. Dabei müssen stets die bauphysikalischen Auswirkungen auf die dahinterliegenden Bauteile sowie den Innenraum berücksichtigt werden. Neben einer Verbesserung des Mikroklimas (insbesondere an heißen Sommertagen), ist stets die Schadensfreiheit der Bauteile sowie bestenfalls eine Erhöhung des Raumkomforts anzustreben.
Das Mock-Up wird in Absprache mit der Universität Stuttgart an einer zentralen und sichtbaren Stelle auf dem Campus Vaihingen installiert und über den Förderzeitraum hinaus durch das IABP betreut. Die Installation erfolgt im September 2021 und wird im Frühjahr 2022 zum ersten Mal in voller Blüte stehen.
Wir bedanken uns bei der Universität Stuttgart sowie bei den Gutachter*innen vom Runden Tisch Klima und der Forschungsreferentin Nicole Bach für die Möglichkeit das Forschungsprojekt umzusetzen.
Ein Frühlings-Update (vom Mai 2022):
Mittlerweile stehen die Grünfassaden seit etwa vier Monaten am Pfaffenwaldring 9 auf dem Campus Vaihingen der Universität Stuttgart. Mit der Jahreszeit hat sich auch das Erscheinungsbild der Fassaden geändert. Verschiedene Wildkräuter und Stauden, Spontanvegetation und Krautsäume stehen in der Blüte.
Dies lockt die ersten Insekten an. Vielzählige unterschiedliche Wildbienenarten, wie Mauerbienen, Sand- und Holzbienen, Hummeln und Honigbienen, aber auch Wespen, Schwebefliegen, Wollschweber, Spinnen, Käfer und sogar ein Gartenrotschwanz konnten an den Fassaden gesichtet werden. Die Insekten nutzen die Fassaden nicht nur als Futterquelle, sondern auch zur Eiablage. Die ersten Nistgänge in den Habitatsystemen sind verschlossen und an vielzähligen weiteren Gängen wird aktuell gearbeitet. Unmittelbar vor den Fassaden haben sich erdnistende Wildbienen angesiedelt, welche die Pollen der blühenden Pflanzenbestände für ihre Brut in den Erdlöchern einlagern.
Durch die begrünten Fassaden konnte bereits nach wenigen Monaten ein hoher faunistischer und floristischer Artenreichtum festgestellt werden. Die unbelebte Betonwand hat sich in eine belebte Fassade für die urbane Flora und Fauna transformiert.
Einige Impressionen sind den untenstehenden Bildern zu entnehmen:
Ein Sommer-Update (vom August 2022):
In den letzten drei Monaten hat sich das Erscheinungsbild der Fassaden erneut deutlich geändert. Die Entwicklung von April bis August kann dem untenstehenden Slider entnommen werden.
Insekten und auch Spinnen haben die Habitatsysteme zur Eiablage weiter genutzt und die Hohlräume verschlossen. Bei den örtlichen Wildbienen besonders beliebt sind Hartholzblöcke mit einem Lochdurchmesser von kleiner gleich 2 mm. Bei diesen Hohlräumen sind nahezu alle „Zimmer“ belegt (siehe untenstehendes Foto, rechts) und es wird sich auf den Schlupf im nächsten Frühjahr vorbereitet. Die letzten blühenden Pflanzen, wie Schafsgrabe, Leinkraut, Frauenmantel, Felddistel oder der Fingerstrauch werden aktuell, neben der Honigbiene, stark von sehr kleinen Wildbienen angeflogen (siehe untenstehendes Foto, links).
Ein Herbst-Update (vom November 2022):
Bewusst wurde unsere Grünwand bisher nicht zurückgeschnitten. Auch die vertrockneten Pflanzenteile tragen zur Förderung der Artenvielfalt bei. Beispielweise dienen samentragende Pflanzen als Futter für Vögel und abgestorbene Stängel als Quartier für Insekten im Winter. Auch ein männliches grünes Heupferd nutzte in den späten Abendstunden im Oktober einen abgebrochenen Stängel, um an prominenter Stelle mit Werbe- und Rivalengesängen auf Weibchen aufmerksam zu machen (Bild, oben).
Noch bis Anfang November konnten die letzten Bienen, Hummeln und Schwebfliegen auf der Wand beobachtet werden. Mit den regnerischen und feuchten Tagen Ende November hat sich gleichzeitig die Fauna auf der Wand gewandelt. Neben vielen Schnecken(arten), sind nun auch vermehrt Spinnen auf der Wand zu sichten (Bild, unten).
Winter-Update (Januar 2023)
Der milde Herbst ist vorüber und die kalte Jahreszeit hat Einzug gehalten. Flora und Fauna an der Klimawand haben sich Regen, Wind und Schnee angepasst. Einige dieser Effekte lassen sich besonders gut beobachten.
Um in der kalten Jahreszeit nicht zu erfrieren, entziehen viele Pflanzenarten Wasser und Nährstoffe aus Stängeln und Blättern. Weniger resistente Pflanzenteile wie Blüten und Blätter sterben im Verlauf dieses Prozesses ab. Die typisch rötlich-braune Blattfärbung entsteht, da der grüne Blattfarbstoff Chlorophyll vor dem Blattzerfall entzogen und z. B. im Stamm eingelagert wird. Chlorophyll enthält Stickstoff, der wichtig für das Wachstum im Frühling ist. Pflanzenzwiebeln und -wurzeln überwintern frostgeschützt unter der Erde bzw. im Substrat.
Immergrüne Pflanzen, wie beispielsweise Efeu, werfen ihre Blätter im Winter nicht ab. Sie stellen aus der im Sommer gespeicherten Energie natürliche Frostschutzmittel aus Zuckern und Alkohol her, was ihre Blätter vor Frost schützt. Da über die Blätter weiterhin Wasser verdunstet wird, müssen diese Arten auch im Winter gegossen werden. Das Bewässerungssystem der Grünfassade ist daher auch im Winter aktiv.
Auch für die tierischen Besucher der Klimawand beginnt im Winter der Kampf ums Überleben. Einige Insekten suchen frostgeschützte Bereiche, wie gebäudenahe Ritzen oder „Zimmer“ im Habitatsystem auf (s.Fotos) und verfallen in eine Art Kältestarre. Andere Arten überwintern gut geschützt zwischen den Wurzeln der Pflanzen. Durch dichtes, bodennahes Pflanzenmaterial bietet die Grünfassade, auch in der kalten Jahreszeit, Schutz und Unterschlupf für wechselwarme Tiere.
Ende Dezember erfolgte der erste Rückschnitt der Pflanzen. Zurückgeschnitten wurden: Weidenröschen, Fingerstrauch, Geranium, Hirse, Schafgarbe und Gänsedistel. Dabei wurden behutsam abgestorbene Pflanzenteile entfernt, einerseits um einen gepflegten Eindruck zu vermitteln, andererseits um die natürlichen Habitatstrukturen nicht zu zerstören. Beispielsweise überwintern Insekten in abgestorbenen Stängeln, um mit den ersten Sonnenstrahlen des Frühlings wieder mit der Arbeit loslegen zu können.
Frühlings-Update (April 2023)
Seit etwas über einem Jahr wachsen die Grünfassaden vor der Universität Stuttgart. Bei einem Vergleich der Fassade mit ihrem Erscheinungsbild vor einem Jahr, lassen sich bei aufmerksamer Beobachtung einige Veränderungen ausmachen. Manche Pflanzen haben sich ausgebreitet, andere sind in den Hintergrund gerückt oder konnten sich nicht durchsetzen. Teilweise hat sich auch Bewuchs neu angesiedelt, der im Laufe des letzten Jahres über natürliche Verbreitung an die Fassade gelangt ist.
Die nasskalte Wetterlage hält sich in diesem Jahr länger, die Pflanzen – nicht nur an unserer Grünfassade – bilden erst allmählich frische Triebe und Blüten aus. Hierbei ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass die Pflanzen an der Fassade Anfang letzten Jahres frisch gesetzt wurden. Dieses Jahr haben sie eine überstandene Winterperiode hinter sich und dadurch ein dementsprechend „natürliches“ Erscheinungsbild mit teilweise auch vertrockneten oder abgestorbenen Pflanzenteilen.
Mit den ersten kräftigeren Sonnenstrahlen sind im März bereits die ersten Mauerbienen geschlüpft (s. Fotos). Die Männchen schlüpfen vor den Weibchen, da ihre Brutzellen in den Nisthilfen näher am Einflugloch liegen. An sonnigen Tagen ist an den Grünfassaden jetzt schon einiges los: Insekten die versteckt in Hohlräumen der Habitatsysteme, unter dem Bewuchs oder in vertrockneten Stängeln und Blüten überwintert haben, werden aktiv. Die neue Wildbienen-Generation der verschiedenen Arten schlüpft und macht sich anschließend direkt auf die Suche nach frühblühenden Pflanzen, Paarungspartnern und Nistplätzen für ihre eigene Brut.
Flugverkehr vor der Hartholznisthilfe
- Förderzeitraum
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01.08.2021 – 31.12.2021
- Gefördert durch:
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Universität Stuttgart, Förderlinie Una Terra
- Projektpartner*in: